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Mittelmeerroute

16
January
2024

Die Migrationsroute über das Mittelmeer gilt als die tödlichste der Welt. SOS MEDITERRANEE ist mit der Ocean Viking im Zentralen Mittelmeer im Einsatz.

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Mittelmeerroute

16
January
2024

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Die Migrationsroute über das Mittelmeer gilt als die tödlichste der Welt. SOS MEDITERRANEE ist mit der Ocean Viking im Zentralen Mittelmeer im Einsatz.

Ende 2023 waren nach Angaben der Vereinten Nationen weltweit 117,3 Millionen Menschen auf der Flucht [1]. 2023 überquerten beinahe 257 000 Menschen das zentrale Mittelmeer und erreichten Italien [2]. Die Migrationsroute über das Mittelmeer gilt als die tödlichste der Welt. Seit 2014 wurden über 30.309 Menschen [3] als vermisst gemeldet, die Dunkelziffer wird weitaus höher geschätzt.  

Auf dem Mittelmeer wird in drei Migrationsrouten unterschieden. Neben der Migrationsroute über das zentrale Mittelmeer gibt es außerdem die Migrationsrouten im westlichen und östlichen Mittelmeer. SOS MEDITERRANEE konzentriert sich auf die Migrationsroute im Zentralen Mittelmeer.

Fluchtursachen

In einer Welt, die von zunehmenden Migrationsströmen geprägt ist, ist es wichtig, die Ursachen und Hintergründe von Flucht zu verstehen. Menschen fliehen vor Krieg, Menschenrechtsverletzungen, Hunger, Armut, [4] Klimakatastrophen [5] und Perspektivlosigkeit [6]. Verfolgung aufgrund von Ethnie, Religion, politischer Gesinnung, sexueller Neigung oder des Geschlechts sind ebenfalls immer wiederkehrende Fluchtgründe. Fluchtursachen lassen sich oft nicht klar voneinander trennen und bedingen sich oft gegenseitig. Unter Menschen berichten können die Geschichten einiger Menschen nachgelesen werden, die von SOS MEDITERRANEE im zentralen Mittelmeer gerettet wurden.

Die Migrationsrouten über das Mittelmeer

Zentrale Mittelmeerroute

Die zentrale Mittelmeerroute ist die Überseepassage von Nordafrika nach Italien und, in selteneren Fällen, nach Malta. Menschen, die diese Route nutzen, haben im Allgemeinen das Ziel, die italienische Küste zu erreichen, und starten dabei aus verschiedenen nordafrikanischen Ländern, die an das Mittelmeer grenzen. Obwohl in den vergangenen Jahren die meisten Menschen aus Libyen abgereist sind, das sowohl ein Ziel- als auch ein Transitland ist, gibt es auch eine stark wachsende Anzahl von Abfahrten aus Tunesien, und weniger aus Ägypten und Algerien. Die Route führt durch mehrere Such- und Rettungszonen (SRRs), abhängig vom Abfahrtsort. In den meisten Fällen, wenn das Ziel Italien ist, erstreckt sich die Fahrt über das Mittelmeer über bis zu vier verschiedene Regionen: die libysche, die tunesische, die maltesische und die italienische SRR. Für jede dieser Regionen ist die Koordination der SAR-Maßnahmen durch das entsprechende Maritime Rescue Coordination Center (MRCC) erforderlich.

Westliche und Östliche Mittelmeerroute

Die zentrale Mittelmeerroute ist die meistgenutzte Route über das Mittelmeer. Doch es gibt auch Migrationsrouten im westlichen und im östlichen Mittelmeer.  

Die westliche Mittelmeerroute umfasst mehrere Teilrouten, darunter Seereisen von Marokko und der Westküste Algeriens über die Straße von Gibraltar und das Alborán-Meer sowie die Landroute nach Ceuta und Melilla, zwei autonome spanische Städte in Nordafrika. Die meisten Menschen, die diese Route nutzen, starten in Marokko, da die Entfernung zwischen Spanien und Marokko an der engsten Stelle nur 14,4 km beträgt. Seit Mitte der 2010er Jahre gibt es jedoch auch eine kleine, aber wachsende Anzahl von Booten, die von der Westküste Algeriens nach Spanien aufbrechen.

Die Route des östlichen Mittelmeers beschreibt die Migration von der Türkei über den Seeweg nach Griechenland und, in geringerem Maße, nach Zypern und Bulgarien. Die Anzahl der Menschen, die diese maritime Route nutzen, ging stark zurück, nachdem das EU-Türkei-Abkommen Ende März 2016 in Kraft trat. Die Route wird hauptsächlich von Menschen aus dem Nahen Osten und Südasien genutzt, die vor Konflikten und Instabilität fliehen.

Die Transitländer Libyen und Tunesien

Die zentrale Mittelmeerroute beschreibt die Überquerung des Meeres von Nordafrika nach Italien und Malta. Flüchtlinge, die über das zentrale Mittelmeer nach Europa fliehen, durchqueren meist die Transitländer Libyen oder Tunesien. Während bis 2022 die meisten Menschen mit Booten aus Libyen starteten, so legten 2023 mehr Menschen in Tunesien ab.  2022 versuchten 79.800 Menschen über den Seeweg aus Libyen zu fliehen, 2023 waren es 71.500. In Tunesien hingegen stieg die Zahl der dort ablegenden Menschen von 58.900 im Jahr 2022 auf 140.000 Menschen im Jahr 2023 [7].

Libyen

Aufgrund der gefährlichen und unsicheren Situation in Libyen empfinden Menschen es oft als zu riskant, dort zu bleiben, selbst wenn sie ursprünglich geplant hatten, das Land zu ihrem Ziel zu machen. In Libyen gibt es weit verbreitete Verbrechen gegen die Menschlichkeit, insbesondere gegen Menschen aus der Subsahara, Asylsuchende oder Migrant*innen. Diese Verbrechen umfassen auch eine Reihe schwerwiegender Verstöße wie willkürliche Inhaftierung, Mord, Folter, Vergewaltigung, Versklavung, sexuelle Sklaverei, außergerichtliche Hinrichtungen und Verschleppung, die im ganzen Land weit verbreitet sind. Viele besitzen keine Ausweisdokumente mehr, da ihnen diese von Milizen abgenommen wurde. So bleibt nur noch ein Ausweg: die Flucht über das Mittelmeer.  

Die libysche Küstenwache führt seit Ende 2017 verstärkt Einsätzen im zentralen Mittelmeer durch. Personen, die von der libyschen Küstenwache aufgegriffen werden, werden nach Libyen zurückgebracht und in Camps gebracht, wo sie ungerechtfertigt und unter unmenschlichen Bedingungen inhaftiert werden. So gibt es beispielsweise Berichte über Camps, in denen die Gefangenen gefoltert und misshandelt werden, einschließlich sexueller Übergriffe, ungerechtfertigter Tötungen und Ausbeutung.

Der UN-Menschenrechtsrat hat im Juni 2020 eine unabhängige Untersuchungskommission nach Libyen entsandt, um die seit 2016 begangenen Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen. Angesichts dieser Umstände erklärte der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, dass Libyen nicht die notwendigen Kriterien erfüllt, um als sicherer Hafen für Personen nach einer Rettung auf See zu gelten. Es ist also illegal, aus Seenot gerettete zur Rückkehr in das Land zu zwingen.

Tunesien

Auch in Tunesien verschlechtert sich die Lage für Flüchtlinge immer weiter. Seit Anfang 2023 gibt es immer wieder gewaltvolle Angriffe, vor allem auf Menschen aus Subsahara-Afrika. Humanitäre Organisationen, unter anderem der UNHCR [8], berichten, dass Flüchtlinge von der Straße aufgegriffen werden und immer wieder in der Wüste an der libyschen Grenze ausgesetzt werden, oft ohne Wasser oder Nahrung [9].

Koordinierung durch staatliche Stellen

Für die Koordinierung der Rettungen von Menschen auf seeuntauglichen Booten sind nationale Stellen, die Maritime Rescue Coordination Center (MRCC) zuständig. Die MRCCs erhalten Notrufe von Menschen in Seenot und weisen daraufhin Search and Rescue (SAR) Schiffe an, die Situation zu beurteilen und die Rettung einzuleiten.

Italien

Allerdings gibt es Regelungen und Gesetze, welche die Arbeit von zivilen SAR Organisationen erschwert. Eine davon ist das so genannte „Piantedosi-Dekret“. Dieses verlangt von Kapitän*innen, gerettete Menschen sofort nach der ersten Rettung ohne Abweichung vom Kurs zu dem zugewiesenen Hafen zu bringen. Dadurch wird verhindert, dass weitere Rettungen durchgeführt werden können. Seit dem Erlass dieses Dekrets wird SAR-Schiffen direkt nach einer Rettung ein Hafen zugewiesen, oft weit im Norden Italiens. Die bringt neben einer langen Navigationszeit von 8 bis 10 Tagen auch erhebliche Mehrkosten mit sich.

Bis November 2023 verbrachte die Ocean Viking unnötige 53 Tage auf See mit der Navigation zu und von fernen Häfen. Die zusätzlichen Kosten betrugen 537.000 €.

Ein Beispiel für die Anwendung des Piantedosi-Dekrets ist die Festsetzung der Ocean Viking nach den Rettungen in der Nacht vom 10. auf der 11. November 2023, als keine Anweisungen der MRCCs zu erhalten war, aber Menschen aus Seenot gerettet werden mussten.

Festsetzungen von SAR-Schiffen haben weitreichende Konsequenzen, da damit weiter wichtige Ressourcen zur Rettung von Menschen im zentralen Mittelmeer fehlen. Damit haben Menschen in Seenot eine geringere Chance gerettet zu werden.

Malta

Malta hingegen stellte 2018 die Koordinierung von Rettungen mit zivilen SAR-Organisationen ein. Dies drückt sich dadurch aus, dass die SAR-Schiffe nicht über Boote in Seenot informiert werden und in Malta keine sicheren Häfen zugewiesen bekommen.

Libyen

Das libysche RCC koordiniert keine Rettungen, oftmals ist die Stelle nicht erreichbar, oder die diensthabende Person hat keine ausreichenden Englischkenntnisse, um mit internationalen Schiffen zu kommunizieren. Auch bei Erreichbarkeit wurde keine Koordination geleistet. Dies war der Fall bei der Rettung am 11. November 2023.

[1] UNCHR, Global Trends 2023 Report, 13. Juni 24

[2] Info Migrants, « Italy reports 50% increase in migrant landings in 2023 », 03. Januar 24

[3] Missing Migrants Project IOM, Stand 09. September 24

[4] UNO-Flüchtlingshilfe, Fluchtursachen, Stand 3. Januar 2024

[5] Entwicklung Bündnis Hilft, Weltrisiko Bericht 2023

[6] Welthungerghilfe, Fluchtursachen, Stand 3. Januar 2024.

[7] UNHCR, IOM Joint Annual Overview 2022 & 2023: Migrant and refugee movements through the Central Mediterranean Sea

[8] UNCHR, IOM Pressrelease: UNHCR and IOM appeal for urgent solutions for refugees and migrants stranded in Tunisia and Libya borders 27. Juli 23

[9] UNCHR Pressrelease: Tunisia must immediately stop hate speech and violence against migrants from south of Sahara, UN Committee issues early warning 04. April 23

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