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Mindestens 300 Menschen innerhalb von 10 Tagen verschollen

5
May
2023

Chaotische Situation: Dutzende Boote in Seenot, während zivile Rettungsschiffe aus dem zentralen Mittelmeer abgezogen werden, um Überlebende in weit entfernten Häfen an Land zu bringen

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Mindestens 300 Menschen innerhalb von 10 Tagen verschollen

5
May
2023

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Chaotische Situation: Dutzende Boote in Seenot, während zivile Rettungsschiffe aus dem zentralen Mittelmeer abgezogen werden, um Überlebende in weit entfernten Häfen an Land zu bringen

[13.04 – 27.04.23] Die folgende Veröffentlichung von SOS MEDITERRANEE soll einen Überblick über die Ereignisse der letzten Wochen im zentralen Mittelmeer geben. Sie erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern soll übersichtsartig über Seenotrettung und damit zusammenhängende Themen in dem Gebiet informieren, in dem wir seit 2016 im Einsatz sind. Für die Zusammenstellung stützen wir uns auf öffentliche Berichte verschiedener NGOs, internationaler Organisationen und der internationalen Presse.

Chaotische Situation: Dutzende Boote in Seenot, während zivile Rettungsschiffe aus dem zentralen Mittelmeer abgezogen werden, um Überlebende in weit entfernten Häfen an Land zu bringen

Am 21. April rettete die Ocean Viking 29 Menschen von einem Glasfaserboot, das in der maltesischen Such- und Rettungsregion in Seenot trieb. Die Überlebenden berichteten, dass sie fünf Tage auf See verbrachten, und dass vom Zeitpunkt des ersten Alarms bis zum Eintreffen der Ocean Viking an der Rettungsstelle 20 Stunden vergingen. Die Seebehörden wurden alarmiert, leiteten aber keine Rettungsaktion ein, und ein maltesischer Hubschrauber und ein italienisches Patrouillenboot, die vor Ort waren, griffen nicht ein, um Hilfe zu leisten. Alle Überlebenden gingen am 23. April in Bari, Italien, von Bord.

Am 15. April rettete das Team auf der Life Support von NGO Emergency 55 Menschen. Alle Überlebenden gingen am 19. April, vier Tage nach ihrer Rettung, im entfernten Hafen von Carrara von Bord.

Am 20. April rettete das Team der Humanity 1 von SOS Humanity 69 Schiffbrüchige von einem überfüllten Schlauchboot. Kurz darauf wurde dem Schiff der entfernte Hafen von Ravenna zugewiesen. Alle Überlebenden konnten fünf Tage später, am 25. April, an Land gehen.

SOS Humanity, Mission Lifeline und Sea-Eye haben in einer Pressemitteilung angekündigt, vor dem Zivilgericht in Rom gegen die Praxis der italienischen Behörden, entfernte Häfen zuzuweisen, zu klagen. Sie erklärten, dass dieses Vorgehen „eindeutig das Wohlergehen von Überlebenden in Seenot gefährdet und darauf abzielt, die Aktivitäten von Nichtregierungsorganisationen unrechtmäßig einzuschränken.“

Am 24. April rettete das Team der Geo Barents von Ärzte ohne Grenzen (MSF) 75 Menschen in Seenot von einem Holzboot in den internationalen Gewässern vor Libyen. Wieder wurde ein weit entfernter Hafen zugewiesen, diesmal Neapel, Italien. Die Überlebenden gingen erst am 27. April von Bord.

Ebenfalls am 24. April rettete die Besatzung des Segelschiffs Astral der NGO Open Arms 47 Menschen aus dem Wasser, nachdem ihr seeuntüchtiges Boot gekentert war. Sie konnten noch am selben Tag in Lampedusa von Bord gehen. Am 27. April rettete die Astral 45 Menschen aus einem Eisenboot und kam kurz darauf 21 Personen zur Hilfe. Leider wurde ein Todesfall gemeldet.

Während die Rettungsschiffe Ocean Viking, Geo Barents und Humanity 1 nach Norden fahren mussten, um Überlebende in weit entfernten Häfen an Land zu bringen, gingen bei der zivilen Notrufzentrale Alarm Phone am 23. April Notrufe von 15 Booten in Seenot und am 24. April zu 26 weiteren Booten in Seenot im zentralen Mittelmeer ein.

Mindestens 300 Frauen, Kinder und Männer sind innerhalb von 10 Tagen ertrunken, über 100 Leichen wurden an tunesischen und libyschen Stränden geborgen

Am 27. April meldete die Internationale Organisation für Migration (IOM), dass allein in den zehn Tagen zuvor mindestens 300 Frauen, Kinder und Männer im zentralen Mittelmeer ertrunken sind. Die Leichen von mehr als 100 Menschen wurden an tunesischen und libyschen Stränden geborgen.

Am 18. April barg die tunesische Küstenwache vier Schiffbrüchige lebend. Sie gaben an, dass 15 weitere verschollen waren. Am selben Tag wurden nach einem Schiffsunglück vor Sabratha, Libyen, sechs Tote vom Libyschen Roten Halbmond geborgen. Am 23. April wurden 17 weitere Leichen am Strand von Sabratha geborgen. Am Tag darauf wurden in der Nähe derselben Stadt 34 Leichen geborgen.

Am 24. April wurden 31 Tote vor der tunesischen Küste geborgen. Am selben Tag wurden nach einem Schiffsunglück vor Lampedusa 20 Menschen als vermisst gemeldet, während die italienische Küstenwache 34 Überlebende und eine verstorbene Person barg. Am selben Tag rettete die italienische Küstenwache 42 Menschen, doch wieder wurden drei Personen als vermisst gemeldet.

Am 25. April wurden zwei weitere Schiffsunglücke vor der libyschen Küste gemeldet, von denen eines 11 Leben und eines 55 Leben forderte, wie die Überlebenden berichteten.

Die IOM hat noch weitere Unglücke dokumentiert. Die Liste von Todesfällen ist schockierend.

Trotz Berichten von Gewalt und der Erklärung zahlreicher Organisationen, dass Tunesien kein sicherer Ort ist, werden zwangsweise Rückführungen fortgesetzt

Zwischen dem 9. April und 22. April wurden nach Angaben der IOM 94 Personen gewaltsam nach Libyen zurückgeführt. Insgesamt wurden im Jahr 2023 bisher 4335 Menschen zurück nach Libyen gezwungen.

Am 19. April beobachtete das Überwachungsflugzeug Seabird von Sea-Watch zwei Abfangaktionen der libyschen Küstenwache.

Nach Angaben des Tunisian Forum for Economic and Social Rights wurden allein im Jahr 2023 14.963 Menschen nach Tunesien zurückgeführt. Gleichzeitig berichtet InfoMigrants von zunehmendend gewaltsamen Abfangaktionen, bei denen die tunesische Küstenwache ähnliche Praktiken wie die libysche Küstenwache anwendet und bei denen die Leben von Menschen auf See gefährdet werden.

Am 14. April veröffentlichten zahlreiche Organisationen eine Erklärung, in der sie betonten, „dass Tunesien weder ein sicheres Herkunftsland, noch ein sicherer Drittstaat ist. Tunesien kann nicht als sicherer Ort für aus Seenot gerettete Personen gelten.“

Europarat verurteilt mangelnde Koordinierung von Such- und Rettungseinsätzen durch die Europäischen Mitgliedstaaten

Daten, die von der Zeitung Altreconomia geteilt wurden, zeigen, dass zwischen 2019 und den ersten beiden Monaten des Jahres 2023 fast sechs von zehn italienischen Such- und Rettungseinsätzen vom italienischen Innenminister als Strafverfolgungseinsätze eingestuft wurden.

Die Times of Malta berichtet, dass die maltesischen Behörden sich weigern, Daten über Such- und Rettungseinsätze in der maltesischen Such- und Rettungsregion weiterzugeben, und zwar unter Berufung auf „Gründe der nationalen Sicherheit“. Der maltesische Innenminister Byron Camilleri bestätigte in einer parlamentarischen Befragung, dass in diesem Jahr bisher 92 aus Seenot gerettete Menschen in Malta an Land gegangen sind, berichtet Newsbook. Am selben Tag veröffentlichte die Menschenrechtskommissarin des Europarates ihren Tätigkeitsbericht für 2022. Die Kommissarin verurteilt die europäischen Mitgliedstaaten für ihre Behandlung von Asylbewerber*innen, Geflüchteten und Migrant*innen in Europa im Jahr 2022 und spricht von einen „unverhältnismäßig auf Sicherheit ausgerichteten Ansatz zur Migration an, der Menschenleben gefährdet“. Die Kommissarin forderte Malta außerdem auf, Such- und Rettungseinsätze wirksam zu koordinieren und die Zusammenarbeit mit Libyen im Bereich Migration zu überprüfen und auszusetzen.

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